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Josef, Anna und Viola Völker

Die Weltreise einer Nähmaschine

Als Kriegsbeute nach Aschaffenburg geschleppt, im Auswanderergepäck nach Amerika emigriert und im Care-Paket nach Würzburg gekommen: die „Biografie“ dieser Nähmaschine liest sich wie ein kleiner Abenteuerroman.

Der Aschaffenburger Militär-Lokführer Josef Völker hatte sie am Ende des Ersten Weltkriegs 1918 in Belgien wahrscheinlich als Kriegsbeute „mitgenommen“. Doch zurück in Deutschland nützte ihm das kostbare Stück wenig. Not, Inflation, Arbeitslosigkeit betrafen zu Beginn der 1920er Jahre große Teile der Bevölkerung, viele hatten alles verloren. Und mancher suchte sein Heil in der Fremde. So entschlossen sich auch drei Töchter Josef Völkers zur Auswanderung in die USA. Als Anna, die erste Tochter, 1921 die Fahrt über den Atlantik antrat, nahm sie die Nähmaschine mit. Sie bildete die bescheidene „Aussteuer“, die sie später in ihre in New York geschlossene Ehe einbringen konnte.

Annas vierte Schwester Viola blieb in Deutschland und zog nach Würzburg. Als Anna am Ende des Zweiten Weltkriegs die Nachricht von der fast völligen Zerstörung Würzburgs erreichte, schickte sie ein so genanntes Care-Paket an die Familie ihrer ausgebombten Schwester. Und mit diesem Paket kam 1945 auch die belgische Nähmaschine an den Main zurück. Da sie mit einem mechanischen Schwingschiffsystem im Handbetrieb lief – die Stromversorgung in Würzburg war ebenso wie die Wasserversorgung zusammengebrochen – und auch Nadeln und Bindfäden beigepackt waren, konnte sie sofort in Betrieb genommen werden. Babykleidchen wurden darauf ebenso genäht wie die ersten Gardinen für die Notwohnung im Keller einer Ruine. Als Stoff dienten „organisierte“ blau-weiß karierte Militärbettdecken der amerikanischen Besatzungsarmee. Noch heute wird die Nähmaschine, die bis Ende der 1950er Jahre in Gebrauch war, in der Familie aufbewahrt.

Quellen/Literatur:
Erinnerungen von Heinrich Giesecke, Würzburg.