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Generation 1875/1900

Bayern wird Mythos

Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts wird der wirtschaftliche Aufbruch der Gründerzeit auch im Königreich Bayern deutlich spürbar. In weiten Teilen bewahrt sich das Land seine agrarische Prägung und seine Traditionen. Brennpunktartig wird das Nebeneinander von Tradition und Moderne in Chicago deutlich: Bei der Weltausstellung von 1893 präsentiert das Nürnberger Unternehmen Schuckert den staunenden Besuchern Hightech mit dem „größten Scheinwerfer der Welt“. Ebenfalls für Furore sorgt in Chicago auf der Bühne des Lincoln Theaters nur kurze Zeit später das Schlierseer Theaterensemble mit seiner alpenländischen Folklore.

Auch die Landwirtschaft verschließt sich den technischen Neuerungen nicht. Vor allem die großbäuerliche Schicht setzt auf Innovationen und investiert in neue Agrartechniken. Dennoch bleibt der bäuerliche Habitus stark von Traditionen bestimmt, vorausgesetzt, er bringt auch etwas ein. Industrialisierung mit Maß ist das Schlagwort. Maß bedeutet zweierlei: Die Politik setzt auf Fortschritt, aber nicht um jeden Preis. Die bayerische Maß Bier geht um die Welt, weil sich bei der Bierherstellung Tradition und Moderne verbinden. Fiktion zählt, und in der Werbung sind die Bayern Spitze.

Bayern industrialisiert mit Maß...

… ist zweideutig und auch so gemeint. Bayern hat kaum Eisenerz. Deshalb entsteht wenig Schwerindustrie. Dafür nähren Landwirtschaft und Handwerk noch ihren Mann. Die vielen Standbeine der bayerischen Wirtschaft sollen bewahrt werden. Monokultur wie im Ruhrgebiet ist nicht gefragt.
Angeknüpft wird an traditionelle Stärken: Textil in Augsburg und Metall in Nürnberg. Selbst ländliche Regionen erfasst die Industrialisierung: Milch und Käse im Allgäu, Textil und Porzellan in Oberfranken, Stahl in der Oberpfalz.

Der Kohlemangel wiegt schwer. Die Hauptenergie der Zeit ist in München viel teurer als in Essen. Es braucht Innovation. In Bayern laufen die ersten Elektromotoren. Durchgesetzt hat sich der Diesel, entwickelt in Augsburg. Ebenso wie die Kältemaschine nach dem Prinzip Linde.

Linde öffnet dem Bier den Weg in den Export. 1900 stammt jedes zehnte weltweit getrunkene Bier aus Bayern. Die großen Münchner Brauereien Spaten, Löwe und Augustiner sind Exportführer. Mit dabei sindaber auch Tucher aus Nürnberg, Würzburger Hofbräu und Aktienbrauerei Aschaffenburg.

Sieben Achtel der Bierproduktion werden in Bayern getrunken. Spitzenreiter ist München. Nie mehr erreichter Rekord von 1895: 1,7 Millionen Hektoliter. Touristen und Einheimische strömen in die Bierpaläste, z. B. in den Mathäser – mit 6.000 Plätzen der größte Bierausschank der Welt.

Hier gelangen Sie zu Pressemeldung und Film über den Einzug der Linde-Kältemaschine ins Museum