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Festvortrag Dr. Richard Loibl zur Eröffnung der Bayerischen Landesausstellung "Ludwig I. - Bayerns größter König?"

Bayerische Landesausstellung: „Ludwig I. – Bayerns größter König?“ Eröffnung im Dom zu Regensburg am 9. Mai 2025 Einführung von Dr. Richard Loibl, DHdBG

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

Hochwürdigster Herr Bischof,

sehr geehrter Herr Staatsminister,HH

Königliche Hoheiten,

liebe Frau Oberbürgermeisterin,

meine Damen und Herren,

 

was für ein Glück, heute zum dritten Mal eine Landesausstellung im Regensburger Dom eröffnen zu dürfen - direkt unter dem Schlussstein mit dem Bayerns Wappen und Ludwigs Stifterinschrift. Gegenüber den Glasfenstern mit den Wappen der bayerischen Stämme am Westportal. Dabei ist es sicher nur ein Zufall, dass sie über den berühmten Skulpturen des Teufels und seiner Großmutter hängen.

Heute geht es in unserer Landesausstellung um König Ludwig I. Was muss man wissen, um die Ausstellung verstehen zu können?

  1. Dass Ludwig I. nicht im Starnberger See ertrunken ist und
  2. dass er Neuschwanstein nicht gebaut hat.

Ansonsten aber jede Menge. München verdankt ihm den Aufstieg zur Kunststadt, auf dass niemand sagen könne, er habe Deutschland gesehen, wenn er nicht in München gewesen. Ludwig I. macht München zur Landeshauptstadt. Vor ihm hatte sie dort geendet, wo er später die Feldherrnhalle baute. Der Aufstieg Münchens ging freilich auf Kosten des Landes: Landshut verlor die Universität, Augsburg die Börse. 

München bekam seinen Konzertsaal im Odeon. Der Landtag kochte: Der König tanzt mit den Großkopferten in München und im Land verkommen die Schulen. 

Zornig schrieb Ludwigs eigener Innenminister Zenetti in sein Tagebuch: Kunstbeflissenheit macht noch keinen König aus!

Je näher man dem Regierungsende Ludwigs kommt, umso mehr nimmt die Kritik zu. Dafür feierte die Münchener Künstlerschaft 1888 Ludwig als ihren größten König: den Erbauer von Ludwigstraße und Königsplatz, den Initiator von Glyptothek und Pinakothek, den Begründer der Staatlichen Kunstsammlungen und Vater der Denkmalpflege. 

50 Jahre vorher verzweifelte der Münchner Bürgermeister an den Ausgaben für die Ludwigstraße und ihre Prachtbauten, die großenteils an der Stadt hängen blieben. Während München als kranke Stadt galt, in der die Menschen aufgrund schlechter hygienischer Verhältnisse Seuchen zum Opfer fielen, am Ende sogar die allseits hochgeschätzte Königin Therese. 

Ein Kunstkönig zwar, aber kein Menschenfreund? Es ist nicht so einfach. Man muss die Sache vom Anfang hersehen. Bayern war, durch Napoleons Gnaden um Franken und Schwaben erweitert, zum Königreich aufgestiegen. Das Land war über viele Jahre Kriegsgebiet gewesen. Zu jedem Feldzug des Kaisers musste es 30.000 Soldaten stellen. 1812 blieb fast das komplette Aufgebot in Russland. 

Dazu kamen staatlich verordnete Reformen, die die Menschen überforderten. Der allmächtige Minister Montgelas zerstörte mit den Klöstern eine über Jahrhunderte bewährte Infrastruktur. Komplexe Wirtschaftsgebilde, Bildung und Kultur, soziale Fürsorge und Kreditwesen – alles auf einen Schlag vernichtet. 

Ludwig I. hat das erkannt und eine Kehrtwende vollzogen. 132 Klöster hat er wieder- oder neubegründet. Hinzu kamen die Initiativen der Bischöfe. Die Englischen Fräulein, die Gerhardinger Schulschwestern, die Barmherzigen Schwestern, die evangelischen Diakonissen, zusammen verhinderten sie ein bildungspolitisches und soziales Desaster. 2027 dürfen wir diesen Frauen, die Bayern retteten, eine eigene Landesausstellung in Ursberg in Schwaben widmen. Schwesterherz wird sie heißen. Es ist höchste Zeit!

Ludwig hat den überzogenen Reformen des Vaters die Schärfe genommen. Es schien, als wäre ein liberaler Bayer an die Regierung gelangt, einer, der die Menschen nach ihrer Façon selig werden lassen wollte. Sollten doch die Franken Franken bleiben und die Schwaben im Regierungsbezirk Schwaben hausen. Teutsch werden und bayerisch bleiben. Was denn noch alles?

Ludwig wollte vor allem regieren, fieberte dem Tag der Tage entgegen und warf sich mit stupendem Fleiß auf seine Aufgabe. Es wird keinen zweiten Herrscher geben, der eine so gewaltige schriftliche Überlieferung hinterlassen hat. Allein die Signate, das sind seine Randbemerkungen auf den von ihm studierten Akten, füllen ganze Bände. 

Ludwig wollte über alles Bescheid wissen, am liebsten alles selber entscheiden. War das liberal? Der Anhänger der Teutschen Einigkeit wurde spätestens in dem Moment rabiat, als sich die Bewegung im Hambacher Fest verbürgerlichte. Viel hielt sich Ludwig darauf zugute, die Verfassung mit auf den Weg gebracht zu haben. Hier waren jüdische und christliche Religionen gleichberechtigt. Bei der katholischen Fronleichnamsprozession hatten aber gefälligst alle Soldaten gleich welcher Glaubensrichtung zu knien. Nach seiner Façon selig werden, war also schon recht, aber wie genau, das bestimmte der König.

Man möchte ihn vom Rand der Geschichte packen und rütteln. Ein Mann von Deinen Anlagen, hoch gebildet und motiviert, lass halt die Zügel lockerer, setz Dich an die Spitze der Bewegung, werde Deutschlands Einiger, vom Süden aus, bevor es von Norden her das militaristische Preußen übernimmt. - Im Nachhinein ist man immer gescheiter. 

Die Zeit stürmte rasant davon. An Bord der Eisenbahn, die erschreckende 40 Kilometer schnell war. 1835 lief sie schon zwischen Nürnberg und Fürth. Dafür konnte der König noch nichts. Die Ludwig-Süd-Nord-Bahn von Lindau über Augsburg und Nürnberg nach Hof hat er ermöglicht. 

Sein Liebling aber war der Ludwig-Donau-Main-Kanal. Endlich Karl den Großen übertreffen, der an dem Projekt gescheitert war. Ludwig nicht, er baute ihn samt seinen 100 Schleusen, die 100 königlich-bayerische Beamte in schicken Uniformen langsam auf- und nieder kurbelten. 

Außen herum auf den Weltmeeren war man dreimal schneller. Die Fachleute hatten den König gewarnt. Solle er doch die Flüsse durch die Eisenbahn verbinden. Soll er doch schauen, die landwirtschaftlichen Überschussgebiete Niederbayerns so schnell als möglich mit der Bahn an die Großstädte anzuschließen. 

Die letzte große Hungersnot, verursacht durch den Ausbruch des Vulkans Tambora, war noch nicht lange her. Nein, es musste der Kanal sein. Alles sollte kanalisiert werden: Regen, Vils, Naab, Isar, Inn. Der einzige Ertrag war, dass das Fabulieren von den Kanälen die Eisenbahn verzögerte. 1877 fuhr die erste durch den Bayerischen Wald. Als man mit den Nebenstrecken hinten fertig war, wurden sie vorne schon wieder abgebaut.

War es eine Art Wiedergutmachung für Ostbayern, dass Regensburg zum zweiten großen Kunstzentrum Bayerns ausgebaut wurde? Ludwigs Gedankenwelt war stark historisch geprägt. Dass Regensburg einmal die Hauptstadt Bayerns war, wusste er. Deshalb sollte die Stadt der Mittelpunkt eines Geschichtsparks werden mit der Befreiungshalle im Westen und der Walhalla im Osten. Die Mitte markierten die Domtürme, die Ludwig schon als Privatier finanzierte. 

Was war geschehen? Ludwig hatte sich gegen die deutsche Einigungsbewegung gestellt. Seine Maßnahmen wurden zunehmend autoritärer und gingen bis zur massiven Pressezensur.

Seine Affäre mit Lola Montez brachte das Fass zum Überlaufen. Der König war ihr verfallen. Minister und Reichsräte aus dem Hochadel blockierten ihre Intrigen. Trotzdem herrschte 1848 Revolution in München. 

Heinrich Heine machte sich in einem Aufwasch über preußischen und bayerischen König lustig, vor allem über die Dichtkunst des Letzteren:

„Stammverwandter Hohenzoller,

sei dem Wittelsbach kein Groller.

Grolle nicht um Lola Montez,

selber habend nie gekonnt - es.“

Trotzdem, in der Revolution zeigte der König wahre Größe. Er resignierte zugunsten seines Sohnes Maximilian. München blieben so Barrikaden und Straßenschlachten erspart. In Berlin und Wien wurde dagegen viele Tage gekämpft.

Bayerns größter König? Diese Frage wird man aus unterschiedlichen Perspektiven anders beantworten. Die Kunstbegeisterte wird es anders sehen als der Wirtschaftshistoriker. In der Ausstellung lassen wir, jedenfalls bis zu einem gewissen Punkt, verschiedene Perspektiven zu. 

Was dem Bayern Ludwigs I. fehlte, war zweifellos das austarierende Moment, das die Demokratie auszeichnet. Autokratie ist dafür keine Alternative. Zentralismus ist keine Alternative für Subsidiarität. Das kann man von Regensburg aus vielleicht besser sehen als in München.

Von daher ist die Landesausstellung zum 200. Jahrtag des Regierungsantritts König Ludwigs I. am rechten Ort. Dass dieser König eine Landesausstellung wert ist, darüber hat nie Zweifel bestanden. Man mag über Ludwig sagen was man will, er hat wie kein anderer König in die Geschichte Bayerns eingegriffen. 

Dass die Landesausstellung umgesetzt werden konnte, ist einer Reihe von Persönlichkeiten zu verdanken, denen ich am Ende besonders danken möchte. Die Projektleitung lag bei Rainhard Riepertinger in bewährten Händen. Es wird nach 30 Jahren am Haus der Bayerischen Geschichte seine letzte Landesausstellung sein. Vielen Dank, lieber Herr Riepertinger, für ihren Einsatz. Ich lasse Sie ungern ziehen, ich bin mir aber sicher, dass Sie dem Haus der Bayerischen Geschichte verbunden bleiben werden.

Außerdem gilt mein Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ludwig-Team Margot Hamm, Stephanie Santl, Bernhard Sassmann sowie den Machern unserer viel besuchten Memminger Ausstellung Fabian Fiederer und Michael Ilg, schließlich unserem Gestalter Markus Baukholt und dem Büro Planetz. Es ist eine echt klasse Landesausstellung geworden, Respekt!

((Dankbar bin ich neben den bereits genannten Sponsoren der Stadt Regensburg. Wir sind heute mindestens deutscher Marktführer in Sachen Nachhaltigkeit und freuen uns, dass wir für viele Projekte von Bonn bis Frankfurt Pate stehen. Es war ein hartes Stück Arbeit und nur durch die enge Zusammenarbeit von Stadt und Freistaat und ihren Bauämtern möglich. Reform ist bei uns gelebter Dauerzustand: domus semper reformanda - quasi!))

((Unserem Bischof Rudolf und Dompropst Frühmorgen danke ich herzlich dafür, dass wir wieder eine Ausstellung im Dom eröffnen dürfen. Es ist immer, nicht zuletzt wegen der Domspatzen, ein Erlebnis.))

Dass wir alle zusammen diese Landesausstellung realisieren durften, verdanken wir neben unserem Ressortminister Blume und seinen Vorgängern Spaenle und Sibler, die alle drei heute anwesend sind, dem Bayerischen Landtag. Dass Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, heute bereits die sechste Ausstellung des HdBG eröffnen, ist uns Anerkennung und Ansporn.

Ihnen allen, meine Damen und Herren, danke ich herzlich! Bleiben Sie dem Haus der Bayerischen Geschichte verbunden!

Ganz am Ende darf ich Sie im Auftrag der Bayerischen Staatskanzlei über den weiteren Fortgang unterrichten. Nach der Bayernhymne begeben Sie sich durch das Hauptportal ins Freie. Am Nebenportal lassen Sie bitte dem Herrn Ministerpräsidenten und seinen Ehrengästen den Vortritt. Sie dürfen ihnen dann gerne folgen. 

Überholen führt nicht zum Ziel, da zuerst der Ministerpräsident das Haus der Bayerischen Geschichte und die Landesausstellung betreten darf. Sie können ihm anschließend in die Ausstellung folgen oder, wenn Sie es vor Hunger gar nicht mehr aushalten, das Buffet aufsuchen, um dann in die Ausstellung zu gehen. Wer nicht in die Ausstellung geht, muss einen Katalog erwerben. Wer in die Ausstellung geht, auch. Vielen Dank!